Schrecken und Hoffnung liegen in dieser Stadt für mich wieder dicht beieinander. Nachdem der Besuch von Tuol Sleng den ganzen Horror der Roten Khmer fühlbar gemacht hat, bekommen wir jetzt wieder die Chance, einen Hoffnungsschimmer für die Menschen hier kennen zu lernen.
Auf unserer Zugfahrt nach Phnom Penh, kommen wir durch einen der Slums der Stadt. Einfachste Hütten reihen sich aneinander, zusammen gezimmert aus Wellblech und Holz. Die Straßen sind nicht geteert. Wie sie zur Regenzeit aussehen, mag ich mir kaum vorstellen.
Nun dürfen wir ein Projekt besuchen, das genau diesen Menschen auf unterschiedlichste Art und Weise Hilfe anbietet.
Kaleb e.V. heißt der Verein, der seit Oktober 2005 besteht und sich zur Aufgabe gemacht hat, Menschen wieder Hoffnung und Vertrauen zu schenken durch handfeste Hilfe und Angebote, die ihre Chancen auf ein besseres und menschenwürdigeres Leben deutlich erhöhen.
Weil der Ort für die Tuk-Tuk-Fahrer schwer zu finden ist, werden wir am Russian Market abgeholt und zum Haus gebracht, in dem einige Kinder und Jugendliche ein neues Zuhause gefunden haben. Weil sie erst nachmittags in die Schule gehen, begrüßen auch sie uns herzlich, zusammen mit einigen Mitarbeitern, die sich um die Kinder und die anderen Hilfsangebote kümmern.
Die Kinder und Jugendlichen, die hier wohnen, wären ohne die Hilfe von Kaleb auf der Straße gelandet, weil ihre Familien sich nicht mehr um sie kümmern konnten.
Die Geschichten der Kinder sind keine leichten. Viele haben Gewalt innerhalb der Familie erlebt.
Von einem Mädchen erfahren wir, das von seiner Mutter weggegeben worden wäre, weil ihr neuer Mann die Tochter nicht um sich haben wollte. Durch die Hilfe der Großmutter kam sie zu Kaleb, wo sie nun eine Chance und ein Zuhause hat.
Zu wissen, dass diese Kinder sonst auf der Straße gelandet oder verkauft worden wären, und dass es so viele von ihrer Sorte gibt, die eine solche Hilfe auch dringend nötig hätten, ist schwer auszuhalten. Gerade in diesem Land, das so viel erduldet hat und nach wie vor mit den Folgen der Roten Khmer zu kämpfen hat.
Wir werden eingeladen, mit in den Slum zu fahren um Reis, Schulgeld und Taschengeld zu einigen der Familien zu bringen, die von Kaleb unterstützt werden können.
Wie wenig diese Familien zum Leben haben, wie eng der Raum ist, den sie bewohnen und wie schwer es für sie ist, Arbeit zu finden, berührt mich tief. Und auch zu sehen und zu hören, wie viel die Hilfe bewirkt.
Eine Frau, die wir besuchen, erzählt, dass sie innerhalb der Familie immer wieder Streit hatten, bevor die Hilfe – in diesem Fall ein Sack Reis im Monat - kam. Jetzt haben sie genug zu essen, das entspannt ihre Situation mit den Kindern und ihrem Mann enorm.
Sie leben in einer kleinen, auf Stelzen stehenden Wellblechhütte, eingeklemmt zwischen vielen anderen Hütten und Häuschen. Eine schmale und brüchige Treppe führt in das Innere, ein fensterloser Raum für die ganze Familie. An den Wänden hängen die Dinge, die sie besitzen, einige Kleider und Taschen, ein Moskitonetz, die Reismatte zum Schlafen liegt zusammengerollt an der Wand.
Man sieht wie wichtig es ist, das jemand da ist und ihr nicht nur Hilfe anbietet, sondern auch zuhört. Sie erzählt von den Problemen, die sie gerade beschäftigen, von der Arbeit, von den Kindern.
Dass sie den Sack Reise bekommen hat, bestätigt sie mit einem Daumenabdruck auf dem Formular, schreiben kann sie nicht, wie so viele.
Besonders berührt mich das Schicksal einer Großmutter mit ihren drei Enkeln. Die Eltern hatten sich getrennt und niemand wollte die drei Kinder nehmen, also kamen sie zu ihrer Großmutter.
Sie leben, zusammen mit anderen Familien, unter einem großen Wellblechdach. Darunter sind verschiedene Abteile aus Holz gebaut, für jede Familie ein Verschlag. Wenn die Sonne brennt, wird es unfassbar heiß unter dem Dach. Zur Regenzeit läuft das Wasser hinein, erzählt sie.
Hätte sie nicht die Miete, das Schulgeld und den Reis durch den Verein, könnte sie die Kinder nicht bei sich behalten.
Sie erzählt, dass sie ihr Geld mit dem Ernten und Verkaufen von Lotusblüten verdient hat. Ihr aufgeblasener Autoschlauch, mit dem sie auf dem See unterwegs war, steht noch draußen vor der Tür. Nun wurde der See von einem reichen Investor gekauft, der das Betreten des Grundes untersagt. In ihrem Alter kann sie nicht mehr viele Arbeiten verrichten. Sie weiß noch nicht, wie es nun für sie und die drei Jungs weiter geht, aber sie weiß, dass sie Unterstützung hat und jemand, der ihr zuhört, der nachfragt, wie es ihnen geht. Sie ist nicht allein.
Eine Familie hat einen behinderten Jungen, er kann nicht richtig sprechen. Wie würden bei uns die Rädchen drehen, um herauszufinden, was der Junge hat und wie man ihm helfen kann? Arztbesuche, Logopädie, Ergotherapie, und und und. Hier fällt das ganze Programm aus. Er kann einfach nicht richtig sprechen, Punkt.
Viel erleben wir bei unserem Besuch und hören und sehen viele Schicksale, die mich seither begleiten.
Und auch die Gespräche mit unserem Begleiter - leider konnte ich seinen Namen nicht behalten, was mich sehr betrübt - sind sehr aufschlussreich für mich. Nicht nur zum Thema der Armut in Kambodscha, sondern auch im Bezug auf die Regierung, die Stimmung, die im Land herrscht, der immer größer werdende Unterschied zwischen Arm und Reich, die sehr komplizierte Geschichte und die möglichen Richtungen, in die sich das Land weiter entwickeln könnte.
Wie wichtig all diese Projekte sind, die den Menschen Unterstützung und Möglichkeiten bieten, ihr Leben zu verbessern, den Kindern Zukunftsperspektiven eröffnen und ihnen zeigen, sie sind nicht allein. Es gibt andere, die sich für sie interessieren, ihnen zuhören, sie nicht vergessen und sich für sie einsetzen.
Das haben wir dort erlebt. Danke dafür.
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