Elbasan

Fragt man einen Albaner, ob die Straße, die man vorhat zu nehmen, gut befahrbar ist, bekommt man immer die gleiche Antwort. Natürlich ist sie gut befahrbar!

Und irgendwie haben sie auch recht. Zwar sind die Straßen für mich des öfteren eine Herausforderung, aber ich bin doch immer durchgekommen. So auch dieses Mal. Nach Elbasan wähle ich eine Nebenroute, weil ich keine Lust habe, die gleiche Straße, die wir gekommen sind, wieder zurückzufahren. Ohne Navi ist das Fahren immer eine zusätzliche Herausforderung, vor allem, wenn der kartenlesekundige Beifahrer fehlt.

 

Wir fahren an kleinen Dörfchen vorbei, entgegen kommen uns nur Mopeds Eselkarren und Traktoren. Die Kabel in den Orten hängen besonders tief über der Straße, und ich muss mehr als einmal ausweichen, damit ich keines abreiße. An manchen Stellen ist die Straße eingebrochen, sodass wir mit dem Bus nur ganz knapp durchfahren können.  

 

Es ist Maisernte. Auf den Feldern stehen die zum Trocknen zusammen gebundenen Pflanzen, die Leute pflücken und reinigen die Maiskolben auf dem Feld und sammeln sie. Immer wieder fahren wir an Maiskolben-Haufen vorbei, die gelb in der Sonne leuchten.

 

Wir überqueren einen Fluss auf einer recht unebenen und wenig Vertrauen erweckenden Brücke. Nach einer Weile verabschiedet sich die Straße und verwandelt sich in eine kilometerlange Schotterpiste mit unzähligen Schlaglöchern, die wir im Schneckentempo bewältigen.  

 

In Elbasan angekommen, beziehen wir unsere großzügigen Zimmer ganz in der Nähe des Stadtzentrums. Groß sind die Räume, aber dunkel und kalt, weil es keine Heizung gibt. Die Dame des Hauses, eine pensionierte Französisch-Professorin, lädt uns abends zu Tee ein und sieht mit uns einen Bud-Spencer-Film. Morgens versorgt sie uns mit Frühstück und erzählt von ihrer Zeit als Professorin und davon, dass – wie fast überall in Albanien – die hohe Arbeitslosigkeit die Menschen lähmt und ihnen die Hoffnung auf Veränderung und Verbesserung nimmt.

Auch die Religionen sind wieder ein Thema. In der Innenstadt entsteht eine neue Moschee, ein sehr moderner Betonbau mit Metall-Kuppeldach. Sie bestätigt, was wir schon so oft in Albanien gehört haben; die Religionszugehörigkeit verursacht keinerlei Probleme. Ihre Tochter ist mit einem Muslim verheiratet. Für sie bedeuten die verschiedenen Religionen, dass es noch mehr Feste gibt, die gemeinsam gefeiert werden. Eine sehr entspannte Haltung, die mich immer wieder sehr beeindruckt und erfreut.

 

Weniger entspannt sind unsere Gastgeber aufgrund unserer Fahrräder, die ich auf dem Gepäckträger des Busses lassen möchte, weil mir die Auf- und Abbauerei zuviel ist. Schon nach unserem ersten Abstecher in die Stadt bestehen sie darauf, sie ins Haus zu holen und stellen sie in das Wohnzimmer, damit sie absolut sicher sind. Erst am Tag darauf erfahren wir, dass sich schon jemand an ihnen zu schaffen gemacht hatte, und einige Männer aus der Nachbarschaft einen Diebstahl verhindert haben. Diese Männergruppe sitzt abends hinter unserem Bus, macht ein kleines Feuer, wärmt sich raucht in aller Seelenruhe.  

 

Elbasan selbst ist eine ehemalige Industriestadt. Auf unserer Fahrt in die Stadt sehen wir einige große Fabrikgebäude. Ob sie noch aktiv sind, wage ich stark zu bezweifeln.

Das Zentrum hat zwar einen Altstadtkern, der aber recht heruntergekommen wirkt und wenig einladend ist. Wir erkunden die Gegend drum herum, sitzen im Park, der wieder von den älteren Männern als Treffpunkt genutzt wird und beobachten die Menschen, die am „Vergnügungspark“ vorbeigehen. Nur wenige lassen ihre Kinder im Karussell oder auf der kleinen Eisenbahn fahren. Eine junge Popcorn-Verkäuferin steht Tag für Tag an der gleichen Stelle vor den Fahrgeschäften, etwas einsam und untätig.

Viele Leute verkaufen etwas am Straßenrand. Obst, Gemüse, Handyhüllen, selbst geknüpfte Ketten, Gestricktes, Kräuter und Pülverchen.

 

Es gibt viele neue hippe Cafés, die meist voll besetzt sind mit modernen jungen Leuten. Auch hier fühlt es sich nach Veränderungswunsch und Aufbruchstimmung an. Manche Häuser wurden bunt gestrichen, um dem tristen Grau etwas entgegenzusetzen, das die Stadt an manchen Stellen mit seiner Hoffnungslosigkeit überzieht.  

Neben der Großbaustelle der Moschee gibt es einige Straßen, die aufgerissen sind, um das Abwassersystem zu erneuern. Wie große hässliche Wunden klaffen die Straßen dort auseinander.

 

Was die Stadt mit Leben erfüllt und für mich interessant macht, sind die vielen Menschen, die unterwegs sind in alle Richtungen. Es gibt keine Tageszeit, in der die Stadt nicht brummt vor lauter Leuten. Immer gibt es irgend etwas oder irgendwen zu beobachten. In den Straßen finden so viele kleine Szenen statt, die meinen Blick fesseln, so viele kleine Details - wie zum Beispiel Stuhl, dem die Beine abgesägt wurden, damit er auf den Stein passt und dem Verkäufer als Sitzgelegenheit dient, während dieser in der Straße seine Kräuter- und Pulver-Apotheke ausgebreitet hat und auf Kundschaft wartet.

Oder der Streit, der sich zwischen zwei alten Männern entfacht und wie ein Flächenbrand andere Umstehende ansteckt, bis plötzlich eine ganze Meute wild gewordener Männer aufeinander einbrüllt und sich gegenseitig herumschubst. Und so schnell es kam, verschwindet es auch wieder. Keine drei Minuten später sitzen alle wieder friedlich in der Runde und beginnen ein Spiel, lachend und entspannt.

Die Frau, die ihren Verkaufsstand in aller Ruhe zusammenpackt, alles in Bananenkisten verstaut, auf ihrem dreirädrigen Transportrad fest verschnürt und dann auf der Hauptverkehrsstraße nach Hause schiebt.

Oder die Kinder, die die kleine Eisenbahn auf dem Rummel entern und, begleitet von nervenaufreibendem Kinderlieder-Gedudel,  Runde um Runde drehen, während die Mütter daneben sitzen.

Das Ende der Fahrt - und sie war lang! - kannst Du auf "Drei Minuten" anschauen.

 

Unser Abstecher nach Elbasan ist nur von kurzer Dauer. Tirana, das ich zu Beginn übersprungen habe, ist unser nächstes Ziel. Dort werden wir Christian vom Flughafen abholen - endlich wieder komplett!! - , und ich möchte doch noch einen Tag dort verbringen, um mich ein wenig hineinzufühlen in die Hauptstadt von Albanien.

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Kommentare: 1
  • #1

    marco (Mittwoch, 04 Januar 2017 17:20)

    hallo ihr welterfahrer,
    ä gudds neies erstmal...
    habs endlich mal wieder geschafft vorbeizuschauen... und was sehe ich 7.12.?!?!?
    wo steckt ihr gerade???
    horrido
    marco