Wir besuchen die Stadt Shkodra mit den Rädern.
Auf unserer Fahrt begegnen uns die verschiedensten Gefährte.
Ein Maler belädt gerade seinen Motorroller mit allem, was er für seine Arbeit braucht. Links und rechts hängen die Farbeimer, auf dem Sitz sind die Pinsel und Planen, die Leiter hat er mit Fahrradspannern hinten am Roller befestigt. So fährt er schließlich an uns vorbei.
Mehrere Kutschen kommen uns entgegen, deren Fahrer auf dem Wagen stehen und die Pferde lenken. eine Eigenart, die uns immer wieder in Albanien begegnen wird.
Je näher wir der Stadt kommen, desto dichter wird der Verkehr und desto unübersichtlicher wird es mit den Kindern. Beim ersten Kreisverkehr fahren und laufen alle gleichzeitig und für unsere Verhältnisse ziemlich durcheinander, sodass wir entscheiden, die Räder zu parken und ab hier lieber zu Fuß weiterzugehen.
Auf den Straßen wird alles Mögliche verkauft. Es gibt Obst- und Gemüsestände, manche Leute verkaufen das, was sie mit in die Stadt gebracht haben, zum Beispiel Mandarinen, ein paar Liter Milch, Nüsse oder auch Tabak. An einer Straßenecke gibt es Hühner und Enten zu kaufen, an der nächsten gibt es eine Stand mit lauter Schuhen. Ein Buchhändler präsentiert seine Schätze auf einer Mauer, zusammen mit anderem Krimskrams, den er zum Verkauf anbietet.
Die Straßen sind voller Menschen, es gibt viele Cafés und Bars, in denen fast nur Männer sitzen.
Für alle Bayern-München-Fans unter Euch noch dieses Foto von einer ganz speziellen Bar in Shkodra.
Und für Deinen Sohn, Floh!
Es gibt auch eine kleine Fußgängerzone mit einigen Restaurants und Cafés, direkt bei der Ebu-Bekr-Moschee , aber das Leben in den Straßen drumherum ist wesentlich spannender und quirliger, als dieser beruhigte und „schön“ gemachte Innenstadtbereich.
Am Stadtrand kaufen wir Gemüse an einem der Stände. Der Mann erzählt von seinem Zuhause, ein wenig abseits der Stadt, am Fuß der Berge. Ganz stolz erzählt er von seinem Stückchen Land, von seiner Familie, seinen Kindern. Er ist fest der Überzeugung, dass er am schönsten Ort der Welt lebt. Eine sehr stolze, erdverbundene und positive Einstellung zu seinem Leben zeichnet er, die mich sehr beeindruckt und in mir einmal mehr die Frage aufwirft, wie man diesen Zustand, diese Haltung zum Leben für sich selbst erschaffen kann.
Einige Tage später bin ich noch einmal mit den Kindern in Shkodra. Wir wollen Mariana und Geck, das Campingplatz-“Hausmeister“-Ehepaar, das immer so hilfsbereit und nett ist, an unserem Abschiedsabend zum Essen einladen.
Eigentlich wollten sie Fisch besorgen bei einem Freund, der normalerweise fast jeden Tag auf dem See unterwegs ist und fischt. Leider muss er genau an diesem Tag nach Tirana und kann uns nicht mit frischem Fisch versorgen. Also machen wir uns auf den Weg.
In Shkodra angelangt, kaufen wir bei „unserem“ Gemüseverkäufer alles, was wir für den Abend brauchen. Ich frage ihn, welches der beste Fisch aus dem See zum Grillen ist und wo ich ihn in der Stadt bekomme. Mit Hilfe seiner Frau – er übernimmt die Übersetzung – erfahre ich den Namen des Fisches, sie schreibt ihn mir auf einen Zettel, damit ich ihn nicht vergesse. Er beschreibt mir noch den Weg und bietet mir an, das Gemüse bei ihm zu lassen und es später auf dem Heimweg wieder abzuholen. So nett! Ich nehme das Angebot sehr gerne an.
Fisch wird nur in einer bestimmten Straße der Stadt verkauft.
Wir folgen seiner Beschreibung und sind plötzlich umgeben von lauter Fisch-Geschäften. Eigentlich sind es vielmehr geöffnete Garagen, in denen zum Teil große Aquarien voller großer Fische stehen, zum Teil sind sie in Kisten sortiert oder liegen auf einem Haufen auf dem Boden. In einem Geschäft arbeiten zwei ältere Herren, hier kaufen wir mit Händen, Füßen, Stift und Papier unsere Fische für den Abend, frisch geschuppt und ausgenommen.
Vor der Rückfahrt stärken wir uns noch in einem Imbiss. Ich komme mit dem Besitzer ins Gespräch, der mir mitteilt, es sei hier sehr unüblich, dass Frauen alleine mit ihren kleinen Kindern „ausgehen“. Wohlgemerkt, wir sitzen in einem Imbiss, nicht im 4-Sterne-Restaurant, dies scheint jedoch keine Rolle zu spielen.
Er fragt mich - wie viele Albaner hier - wie mir Albanien gefällt.
Ich erzähle, dass ich dieses Land sehr spannend finde und gerne hier bin.
Auf meine Frage, wie er Albanien findet, reagiert er erst überrascht, dann beginnt er zu erzählen. Von der Korruption, die nach wie vor wohl sehr verbreitet ist. Davon, dass sich alles sehr langsam entwickelt und verändert. Dass viel Arbeitslosigkeit herrscht und die Lebenshaltungskosten trotzdem steigen. Dass viele junge Leute sich schnellere und deutlichere Veränderungen und Möglichkeiten wünschen, die Situation aber nach wie vor stagniert.
Dass er es wichtig findet, dass Albanien sich Richtung Europa entwickelt, es aber noch einen weiten Weg vor sich hat.
Es herrscht Aufbruchstimmung.
So ähnlich schildern es viele hier, mit denen wir sprechen.
Für mich ist es sehr spannend, den Menschen zuzuhören und ihre Sicht der Dinge kennenzulernen.
Weil ich selbst noch keine vorgefertigte Vorstellung von Albanien habe, formt sich dadurch eine anderes Bild auf das, was mich umgibt.
Wir verlassen Shkodra mit unzähligen Informationen, Eindrücken und Lebensmitteln.
Nach so viel Input brauchen wir erst einmal Pause.
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